Albrecht von Lucke: „Wenn es die CDU nicht gäbe, müsste man sie erfinden!“
Mit diesem modifizierten Gottesbeweis von Voltaire leitete Albrecht von Lucke seinen Vortrag zum Thema: „Was heißt heute konservativ? Und wofür steht die CDU?“ ein. Für Albrecht von Lucke ist der Begriff konservativ relativistisch, das heißt, dass man ihn nicht aus sich selbst definieren kann sondern ihn immer in Bezug „auf etwas“...
erklären muss. Die Frage ist, was es zu bewahren gilt. So verstanden unterscheidet man werte-konservativ und struktur-konservativ.
Um herauszuarbeiten, inwieweit die CDU konservativ ist, stellte Albrecht von Lucke die Geschichte der CDU von ihren ersten Tagen an dar, flankiert von Zitaten aus unterschiedlichen Epochen, die (leider) häufig eine erstaunliche Aktualität aufwiesen.
Konrad Adenauer, Bundeskanzler der ersten Stunde, ist für Albrecht von Lucke kein konservativer Politiker. Für Konrad Adenauer galten zwei Grundsätze: „keine Experimente“ und der Blick nach Europa statt auf die Nation. Damit brach Adenauer mit der dunklen Vergangenheit Deutschlands und führte die noch junge Bundesrepublik in eine neue Ära. Den Bezug nach Rechts bekam die CDU erst in den 50er Jahren. Für Adenauer und die Gründungsmitglieder war die CDU zunächst eine christliche Sammlungsbewegung überkonfessioneller Art (= Union). Auch in seinen Schlussworten legte Albrecht von Lucke großen Wert auf den Unions-Gedanken, wobei er diesen Gedanken nicht als Verbindung von CSU und CDU sondern eben von Katholiken und Protestanten deutete. Allerdings betonte er, dass im 21. Jahrhundert die historische Mission der CDU darin liegen müsse, die Gesellschaft nunmehr bestehend aus Katholiken, Protestanten, Atheisten und Andersgläubigen zu einen.
Von 70 Jahren Bundesrepublik Deutschland war die CDU 50 Jahre lang in der Regierung. Das allein zeigt die Bedeutung dieser Partei als Stabilitätsfaktor für unser Land. Dabei ist es vor allem der CDU zu verdanken, dass das Land in den Schicksalsjahren 1949, 1969 und 1989 nicht ins Nationale abdriftete sondern stets den europäischen Weg suchte. Aus der jüngeren Geschichte muss vor allem die Leistung Helmut Kohls gewürdigt werden: Kohl betrat für die CDU und für Deutschland einerseits den Weg der Modernisierung, gab mit seinem Programm der „geistig-moralischen Wende“ aber auch ein Versprechen an die Konservativen. Er einte die Partei und das Land. 1989, als die Wahlprognosen davon ausgingen, dass Kohl bei der folgenden Bundestagswahl als Kanzler nicht wiedergewählt werden würde, rettete die Wiedervereinigung Deutschlands die Kanzlerschaft für Kohl. Auch bei der Wiedervereinigung legte er bzw. die CDU wieder die Weichen, damit Deutschland den europäischen Kurs fortsetzte.
Dennoch hat die CDU in 70 Jahren keinen leichten Weg hinter sich. Albrecht von Lucke zeigte in seinem Vortrag die großen Zäsuren der Partei auf, bedauerte den Rückgang an Weltanschauung und Format der jeweiligen Kanzler: Adenauer als Patriarch, der die ganze Autorität in sich trug, Kohl als Netzwerker, der die Telefonnummern aller Kreisvorsitzenden hatte, und Angela Merkel, die ein Phänomen an sich ist.
Die letzte Zäsur legte Albrecht von Lucke in das Jahr 2015: Die Partei CDU hatte es sich unter der Kanzlerschaft von Angela Merkel angewöhnt, auf die Vorgaben aus dem Kanzleramt zu warten, statt sich in die politische Diskussion und Gestaltung einzubringen. Dies zeigte insbesondere das Jahr 2015: Die Staatsgrenzen wurden aus humanitären Gründen geöffnet. Doch Monate lang gab es keine Erklärung und auch keine Diskussion innerhalb der Partei, des Parlaments oder der Medien, warum die Grenzen nicht wieder geschlossen werden können.
Mit diesem Fehlen der Kommunikation während ihrer Kanzlerschaft hat Angela Merkel eine extreme Entleerung der CDU verursacht: Das klassische Fundament der CDU wie Atomenergie, Wehrpflicht und Ehe als Verbindung von Mann und Frau ist passé, ganz ohne Diskussion innerhalb der Partei und ganz ohne Kommunikation nach außen.
Doch wie könnte die Zukunft der CDU aussehen? Albrecht von Lucke sieht in Annegret Kramp-Karrenbauer eine Chance für die CDU. Sie ist im katholischen Saarland geprägt und kann insofern die christliche Säule der CDU stärken. Auch hier zitierte er Kohl: „Wir müssen von unserem Reichtum lassen, um andere überleben zu lassen.“ Dabei ist es die vordringlichste Aufgabe der CDU, eine bürgerliche Tradition für Katholiken, Protestanten, Andersgläubige und Atheisten zu begründen und die Gesellschaft zu einen.